Teil 5
Das Nordkap. Kommerz oder Erlebnis?
Sonntag, der 26. Mai 2024
Mittlerweile hat uns die Vegetation fast völlig verlassen. Besonders dann, wenn es über Fjellgebiete geht, die einige hundert Höhenmeter hoch liegen. So fahren wir weiter entlang der E69 und erleben hautnah die norwegische Tundra, eine Vegetationszone, die auch als Kältesteppe bezeichnet wird.
An allen Straßenrändern und besonders an den höherliegenden Stellen liegt reichlich Restschnee des sich zurückziehenden Winters. Ein Hauch von Mondlandschaft umgibt uns. Hart hier oben zu leben und zu arbeiten.
Zugleich aber auch reizvoll, da das Licht hier eine ganz besondere Faszination ausübt.
Als sehr markanten Punkt unserer Reise passieren wir nach einem großen Schlenker der E69 den durchaus spektakilären Nordkaptunnel. Einer der Tunnel die, man mag es kaum glauben, unter dem Fjord durchgebuddelt wurde, ein sogenannter Unterwassertunnel. Ein beklemmendes Gefühl macht sich breit, wenn man sich an dessen tiefsten Punkt klar macht, dass dort rund 212 Meter Gestein und eine resprkteinflößende Wassersäule über unserem Fahrzeug und damit über unseren Köpfen lastet. Der Herrgott gebe, dass sich die Ingenieure, die das alles projektiert haben, richtig gerechnet haben.
Der Tunnel selbst ist stolze 6870 Meter lang, fast so lang also wie der Rennsteigtunnel bei Oberhof, der mit 7916 Meter der momentan längste Straßentunnel Deutschlands ist.
Der Nordkaptunnel wurde am 15. Juni 1999 von König Harald dem V. nach fünfjähriger Bauzeit eröffnet und verbindet seither das norwegische Festland mit der Insel Magerøya.
Ja, das Nordkap liegt auf einer Insel. Hättet Ihr´s gewusst?
Eine Durchfahrt durch dieses inposante Bauwerk setzt intakte Bremsen voraus.
Der unscheinbare Hinweis am Tunneleingang "low Gear" - "niedriger Gang", sollte tunlichst ernst genommen werden. Ein- und Ausfahrt haben jeweils ein Gefälle bzw. eine Steigung von 9-10 %.
Bis zum tiefsten Punkt sind es rund 3,40 km. Jeder der das mit einem 33 Jahre jungem Fahrzeug der 11-Tonnen-Klasse in Angriff nimmt, sollte sich über die richtige Fahrweise im Klaren sein. Die Motorbremse sollte dabei kein Fremdwort sein. Ein Redarder ist bei dieser Ausführung leider noch keine Option.
Trotz allem, auch wenn die Fahrzeugdichte im Tunnel selbst überschaubar ist, es riecht egal ob Tal- oder Bergfahrt sehr intensiv nach einer Mischung aus verbrannten Bremsbelägen und Abgasen. Die Belüftung? Nicht wirklich effizient. Die Wirkung auf die Atemwege? Krass! Der Gedanke hier unten wegen irgendeines Defektes liegen zu bleiben? Grauselich!
Da gibt es nur Eins: Vertrauen zum Fahrzeug und... an was Anderes denken.
Für Erleuchtung in Momenten ohne Gegenverkehr, hilft uns der auf dem Dach unseres Trolls montierte 840 Watt-"Arbeitsscheinwerfer", der die Nacht buchstäblich zum Tag macht. Ist dieser Lichthammer in Betrieb, nehme ich den Finger nie von dessen Schalter, denn würde der Gegenverkehr damit auch nur ganz kurz geblendet, wäre das fatal.
Kurz vor Erreichen des tiefsten Punktes heißt es; Schwung nehmen, denn wir haben zwar fast 900 Nm, aber nur 220 PS unter der Haube, um unseren Boliden wieder aufwärts zu bugsieren. Da muss am Ende entweder der dritte oder gar der zweite Gang oder ganz und gar die Untersetzung ran, die ein feiner abgestuftes Schalten ermöglicht. Nachteil? Die Untersetzung lässt sich nur im Stand aktivieren.
Eine nicht unbedeutende Menge Adrenalin im Blut begleitet uns während der gesamten Durchfahrt.
Umso beruhigender, am Ende der spärlich beleuchteten Röhre wieder Licht zu sehen.
Geschafft! Gerüstet zur nächsten Etappe. Der letzte "größeren" Orte auf dem Weg zum Nordkap ist Honningsvåg. Auf einer Fläche von etwa einem Qudratkilometer leben heute rund 2.250 Menschen. Sie ist die Hauptstadt der Gemeinde Nordkap mit insgesamte 2.800 Einwohnern.
Durch mutiges Handeln der Ortsansässigen unmittelbar nach dem Angriff Deutschlands auf Norwegen am 9. April 1940 machte sich Honningsvåg bei den Angreifern nicht unbedingt beliebt. Anfang 1941 wurde der Ort zum Basistützpunkt der Deutschen ausgebaut. Ursache dafür, dass der Ort bereits ein Jahr später zum Ziel von sowohl britischen als auch sowjetischen Luftangriffen wurde. Dabei gab es eine große Anzahl von Opfern und zu großen Sachschäden.
Am Ende des zweiten Weltkrieges wurde der Ort im Zuge des Unternehmens Nordlicht fast völlig zerstört. Hittlers Politik der verbrannten Erde führte im November 1944 innerhalb von 10 Tagen dazu, dass der Ort buchstäblich dem Boden gleich gemacht wurde. Lediglich die Kirche und die Grabkapelle blieben verschont. Schon wenige Monate später kehrten die ersten Einwohner zurück und begannen mit den Wiederaufbau.
Heute wird Honningsvåg täglich von den Schiffen der Hurtigruten angelaufen und ist auf Grund seiner verkehrsgünstigen Lage an der E69 und seiner Näh zum Nordkap touristischer Hotspot.
was immer das hier ganz oben bedeutet. Nachdem wir Kirkesund im Osten des Landes gesehen und erlebt haben, machen wir uns auch hier keine Illusionen, was die Partyfähigkeit des Ortes betrifft.
Besagte Partyfähigkeit ist sicherlich nicht das Zentrum des Interesses.
Am Rahmen der Geschichte des Ortes erfahren wir als Hundefreunde von Bamse.
Übersetzt aus dem Norwegischen bedeutet Bamse Teddybär. Er wurde 1937 in Honningsvåg geboren und wurde später zu einem Schiffshund, der wegen seines fürsorglichen und tapferen Verhaltens seiner Mannschaft gegenüber wärend des 2. Weltkrieges als offizielles Besatzungsmitglied des Minenräumers Thorodd eingetragen wurde. Das komplette Leben dieses gutmütigen, fast 90 kg schweren Bernhardiners hier wiederzugeben, würde den Rahmen unserer Reisebeschreibung sprengen. Wer mehr darüber erfahren möchte, dem empfehlen wir: https://www.exploring-history.de/kriegsheld-auf-vier-pfoten-das-abenteuerliche-leben-des-schiffshunds-bamse/
Odin weiß sicher nicht, neben welchem berühmten Artgenossen er hier possiert.